InFranken Artikel zum Konzert des Ensembles Bayuna am 26. November 2017 in der Synagoge Kronach
Großes Kino für Ohren und Kopf
Silvan Wagner und das Ensemble Bayuna erzählen musikalische Geschichten von Pilgern und Minnesängern in der ehemaligen Kronacher Synagoge.
"Oft ist die Rede vom dunklen Mittelalter, in dem die Menschen in Dreck und Speck von der Hand in den Mund lebten, gepeinigt von Ungeziefern, unbarmherzigen Lehnsherren und Aberglauben. Dass es auch eine andere lebensfrohe und heitere Seite gab, zeigten Silvan Wagner und das Ensemble Bayuna in der ehemaligen Synagoge auf modernen Mandolinen, Mandolas und Gitarren. Nicht nur die musikalisch anspruchsvolle und hervorragend aufgeführte Musik, sondern auch die humorvollen und kenntnisreichen Moderationen von Wagner machten aus der Matinée einen perfekten Start in den Sonntag.
Die Cantigas de Santa Maria sind Pilgerlieder zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria. Sie sollten die frommen Wanderer auf ihrem anstrengenden Weg wach halten und seelisch einstimmen auf das spirituelle Erlebnis am Zielort. Über 400 Melodien seien überliefert, berichtete Silvan Wagner, um einen breiten Liederschatz mit handfesten Texten handle es sich. So geht es in einem Lied um einen Mönch, der am Fastentag einen Hühnerschenkel verspeiste, der ihm als Strafe der Jungfrau Maria prompt im Hals stecken blieb. Erst nach einem Jahr erlöste sie den Sünder: der Mönch spieh das Corpus delicti direkt auf ihren Altar aus.
"Vielleicht hören Sie ja, welches der Stücke diese Geschichte erzählt", meinte Wagner. Zugesprochen werden die Cantigas dem kastilisch-leonischen König Alfons X., genannt "el Sabio", der Weise. "Politisch hat er nicht viel gerissen", schmunzelte Wagner", aber dafür habe er viel für Kunst und Bildung getan.
Vier Tanzsätze aus Italien stellte Wagner zu seiner Suite Medieval zusammen. Das Lamento di Tristano, also Tristans Trauergesang, sei eine der bekanntesten Melodien des Mittelalters. Zum Canzoneta Tedescha erzählte er eine bemerkenswerte Geschichte. Deutsche und italienische Mönche hätten sich bei einer Zusammenkunft in Italien nach kurzer Zeit böse überworfen: Die Deutschen würden singen wie ein voll geladener Schubkarren, der eine lange Treppe hinunterpoltert. In die Version des Zupforchesters konnte man zwar ein kleines Poltern hineininterpretieren, was die Ohren aber in keinster Weise beleidigte - im Gegenteil! Die bezaubernden alten Melodien wurden mit Percussion-Elementen modern aufbereitet. Dazu trommelten die Musiker mit den Fingerspitzen, klopften mit den Knöcheln oder schlugen mit der flachen Hand auf die Corpi ihrer Instrumente. Über die Saiten fuhren sie mit der gesamten Handfläche, was dann klang wie ein Tablett gefüllt mit Gläsern, die beim Tragen aneinander stoßen. Das Orchester verfügte über präzises Rythmusgefühl und gestaltete die Stück mit feiner Dynamik von zart bis volltönend.
Ein weiterer Ausflug in die Welt der höfischen Minne bildete den Abschluss des Vormittagskonzerts. Oswald von Wolkenstein sei zwar kein angenehmer Zeitgenosse gewesen, aber trotzdem sehr vielschichtig in seiner Egozentrik. Einen reichen Liederschatz habe er hinterlassen, in dem er immer wieder sich selbst stilisierte, als unglücklich Freiender oder gescheiterter Mensch. So komponierte er mit "Es füegt sich" eine epische Lebenssumme, an deren Ende er sich zu Maria hin wendete. Als streitbarer tapferen Familienclan inszenierte er die von Wolkensteins im kriegerischen "Nu huss" - auf geht"s! "Ein kleines Scharmützel wächst sich zu einem putzigen Weltkrieg aus", so die Moderation des Orchesterleiters. Großes Kino für Ohren und Kopf und ein tolles Konzert!"
Artikel und Bild von Nicole Julien-Mann.
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